Christof Hiltmann
Gemeindepräsident Birsfelden
Was ist für Sie die grösste Herausforderung, wenn es darum geht, die Bewohnerinnen und Bewohner von der Revision des Quartierplans Sternenfeld zu überzeugen?
Christof Hiltmann: Die allermeisten der Bewohner sind zufrieden mit ihrer jetzigen Wohnsituation und ihrem Umfeld. Der Druck, etwas zu ändern, ist deswegen nicht sehr gross. Die grösste Herausforderung ist es, sie zu überzeugen, dass eine Veränderung nicht zu ihrem Nachteil geschieht.
Warum etwas ändern, wenn alle zufrieden sind?
Christof Hiltmann: Es sind eben Dinge, welche nicht allzu offensichtlich sind, die kurz-, mittel- und langfristig Anpassungsbedarf haben. So zum Beispiel gewisse Wohngebäude, welche aufgrund ihrer Bausubstanz oder ungeeigneten Grundrisse nur noch mit einer Totalsanierung oder mit einem Neubau in die Zukunft gerettet werden können. Daneben gibt es aber auch Themen, welche unbestritten zu verbessern sind, wie der Quartierplatz beim Schulhaus.
Höhere Mieten ist das eine, das die Sternenfeldbewohner beschäftigt. An der öffentlichen Infoveranstaltung ist auch das Schlagwort Dichtestress gefallen. Hat dichteres Bauen überhaupt Qualitäten?
Christof Hiltmann: Verdichtungsabsichten werden von den aktuellen Sternenfeld-Bewohnern verständlicherweise nicht nur euphorisch aufgenommen. Wer hat es schon gerne, wenn liebgewonnene Strukturen verändert und allenfalls Freiräume reduziert werden. Unsere Aufgabe ist es, den Leuten den Vorteil von Ergänzungsbauten klar zu vermitteln. Diese dienen nämlich dazu, dass bei Totalsanierungen und/oder Neubauvorhaben niemand aus dem Sternenfeld wegziehen muss. Als Resultat wird es einen leichten Anstieg des Wohnungsangebots geben. Wir sind jedoch der Meinung, dass es dies verträgt, insbesondere, wenn gleichzeitig eine Aufwertung des Frei- und Naturraums erfolgt.
Aber die Gemeinde ist sicher daran interessiert, möglichst viele Wohnungen zu bauen.
Christof Hiltmann: Ich bin zurückhaltend, was das Verdichten im Sternenfeld angeht. Der vorliegende Vorschlag bildet sicherlich die obere Grenze des Machbaren. Im weiteren Verlauf des Prozesses werden wir diese Frage vertieft anschauen.
Wie sieht es mit dem Argument Generationenvertrag aus? Eine Auffrischung des Quartiers für die Generation von morgen?
Christof Hiltmann: Dies finde ich in der ganzen Aufgabenstellung ein sehr wichtiger Punkt. Wir diskutieren hier Dinge, welche allenfalls erst in 20 bis 30 Jahren umgesetzt werden. Es sind also eher die jungen Personen, die kommenden Generationen, welche von dieser Quartierplanrevision betroffen sind.
Sie selbst sind im Sternenfeld aufgewachsen, Ihre Eltern wohnen immer noch hier. Das Quartier liegt Ihnen bestimmt am Herzen?
Christof Hiltmann: Ja, absolut. Ich habe das Sternenfeldquartier als wunderbaren Wohnort und Lebensraum in Erinnerung. Ich wünsche mir, dass dies auch für zukünftige Generationen so bleibt. Und darum ist es wichtig, dass sich die jungen Bewohnerinnen und Bewohner an der Diskussion beteiligen.
Aber wo sind die? An der Infoveranstaltung waren nur wenig Junge zu sehen.
Christof Hiltmann: Wir machen oft die Erfahrung, dass diese Themen die jüngere Bevölkerung nicht so erreichen. Darf ich darum an dieser Stelle einen Appell an die Öffentlichkeit richten? Es ist zentral, dass möglichst viele Leute, insbesondere auch jüngeren Alters, an den Fokusgruppen teilnehmen und dort ihre Perspektive für die nächsten 20, 30 Jahren einbringen. Denn die Lösungsfindung geschieht jetzt. Es wäre schade, die Bedenken erst an der Gemeindeversammlung anzumelden.
Gut für Sie ist ja, dass die Geschäftsstellen fast aller Genossenschaften hinter dem Projekt stehen.
Christof Hiltmann: Ja, das ist natürlich eine zwingende Bedingung. Insbesondere die Eisenbahner Baugenossenschaft beider Basel ist da eine treibende, positive Kraft. Es gibt aber auch Kritik am aktuellen Vorschlag – sowohl auf Seiten der Genossenschaften wie auch aus der Bevölkerung. Diese nehmen wir für den weiteren Verlauf im Prozess sehr ernst. Ich bin trotzdem zuversichtlich, dass wir am Ende einen tollen Vorschlag haben werden, welcher allen passt. Das Gute am ausgewählten Projekt ist, dass es mit dem Bestand arbeitet. Im Sternenfeld wird es kein Tabula rasa geben, dafür funktioniert das Quartier einfach zu gut.
Zum Schluss: Nicht nur das Sternenfeld, sondern ganz Birsfelden stimmt über den Quartierplan ab. Da brauchen Sie doch nicht wirklich zu fürchten, das Projekt könne abgelehnt werden. Wer ist denn nicht gegen Renovieren, gegen einen ansprechenden Zentrumsplatz und gegen das Verschönern der Aussenräume?
Christof Hiltmann: Wir wollen ein solches Projekt sicher nicht gegen den Widerstand der betroffenen Bevölkerung durchbringen. Falls unser endgültiger Vorschlag nicht eine grosse Mehrheit der Sternenfelder Bewohnerinnen und Bewohner überzeugt, werden wir Schiffbruch erleiden. Da käme der Widerstand nicht nur aus dem Quartier selbst, sondern aus Solidarität wohl auch aus dem restlichen Gebiet der Gemeinde. Damit dies nicht passiert, müssen wir dem vorliegenden Vorschlag eines Zürcher Architekturbüros noch einiges vom typischen Sternenfelder Charakter einhauchen.
Quelle: EBG-Kurier – Ausgabe Sommer 2019